Prahlen wir mit Stress?

Wir scrollen durch LinkedIn und lesen von alten Kommilitonen die neusten Titel und Karriereschritte. Wir checken Instagram und sehen die 22-Uhr-Büro-Kaffee-Storys. Gestern London, heute Berlin und morgen Madrid. Wir jetten durch die Welt und feiern uns Online dafür.  Nicht nur ein Blick in den Freundeskreis, sondern auch zahlreiche Studien belegen unsere neue Lieblingsbeschäftigung: Stress. Wir übertrumpfen uns mit Überstunden, mit der Härte des Chefs und mit nicht genommenen Urlaubstagen. Kaum vorstellbar, dass jeder Arbeitgeber der Teufel in Person ist, oder?

Stress - das neue Statussymbol.

Mitarbeiter beklagen, dass Sie steigenden Druck empfinden, ständig erreichbar sein zu müssen. Tatsächlich trifft dies allerdings nur auf 8 % der Beschäftigten zu. Es scheint, als hätten wir uns eine Parallelwelt erschaffen und den Stress anderer, zu unserem eigenen gemacht.

Auch Online bestehen diese zwei Welten – die Realität und die Illusion:  Hashtag #Startuplife präsentiert “23 Uhr im Video Call mit dem Office in New York” und meint eigentlich “Ich habe seit Monaten kein Leben mehr, aber hey dafür gibt es hier, gratis Bier.”  Hashtag #Entrepreneur – Für mein kostenloses Monatsticket bin ich eingetragener Physikstudent, aber im echten Leben bin ich Visionär. 

Sich mit anderen vergleichen ist menschlich.
Sich mit anderen zu messen, ist Irrsinn.

Je nach Persönlichkeit und leider sind es die meisten, lösen all diese Informationen einen unbewussten Antrieb aus. Immer weiter, stets besser und selbstverständlich schneller. Jeder einzelne von uns entwickelt Ideale, die zusammen zum Gesellschaftsbild werden. Besonders Soziale Netzwerke bieten die Möglichkeit diese Ideale zu kommunizieren, zu teilen und vor allem diese Anforderungen ganz subtil in uns zu verankern. Sicherlich kann uns der Input Dritter auch voranbringen, einen positiven Gedanken oder sogar eine neue Sichtweise geben. Aber Eines sollte klar sein: Sich mit anderen zu vergleichen ist menschlich. Aber sich an anderen zu messen ist Irrsinn.

 

Gemeinsames Jammern verbindet und fördert
die ungesunde Leistungskultur.

nGefühlt gibt es nur noch zwei Lager. Die, die ihren Stress feiern und die, die darunter leiden. Doch Tatsache ist:  Stress ist meist hausgemacht, doch mentale Probleme stressen uns genauso wie reale Probleme und nicht nur das …

Wann hing euch das Klagen eines Freundes zum letzten Mal aus den Ohren raus? Bestimmt noch nicht so lange her, oder? Wir dürfen in diesen Gesprächen nicht unterschätzen, dass auch das Klagen anderer ganz unbewusst eine innere Beklemmung und sogar Druck in uns auslösen kann. Denn gemeinsames Jammern verbindet. Wir finden eigene Beispiele, die das Leiden des Anderen unterstützen und fördern damit den ungesunden Leistungskultur. Mal Hand aufs Herz: entscheiden wir nicht selbst, immer erreichbar zu sein, noch um 23 Uhr E-Mails zu checken und Leerzeiten in der Bahn für Nacharbeiten zu nutzen?

Und nun?

Stress umgehen, statt in ihm zu baden. Uns für Überstunden zu schämen, statt diese zu feiern. Sich für den Abend auf der Couch und nicht für die 80-Stunde-Woche zu loben. Und zu guter Letzt: vielleicht mal weniger das Handy checken. So bleibt nicht nur mehr Zeit für die reguläre Arbeit, sondern besonders für einen selbst.

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